Wie sich heimische Agenturen in schwierigen Zeiten behaupten, welche Rolle sie der Krisen-Kommunikation geben – und wie die aktuelle Lage in Kommunikationschancen verwandelt werden kann.
„Welche Wirtschaftskrise?“, spielt man bei der Agentur Chapter 4, mit rund 1,4 Millionen Euro Nettohonorarumsatz 2022 die aktuelle Nummer 13 im Ranking, die HORIZONT-Frage nach Krisenbewältigung gleich einmal zurück. Krisen, so Severin Heinisch, CEO und Co-Founder, seien schließlich „mittlerweile allgegenwärtig und nicht mehr die Ausnahme, sondern Alltag“. Entsprechend laufe Krisen-PR permanent zumindest im Hintergrund mit. Am Beispiel Krieg in der Ukraine schildert das Heinisch so: „Nicht nur die RBI ist massiv davon betroffen, mehr als 90 Prozent aller österreichischen Unternehmen, die in Russland aktiv sind, sind nach wie vor dort und laufen Gefahr, von Sanktionen bedroht zu werden.“ Mit dem hauseigenen CEE Netzwerk in der Ukraine biete die Agentur hier „bestmögliche Unterstützung in allen Facetten der Kommunikation vor Ort und international“.
Dauerkrise?
Angewandte Krisen-PR also als Dauerzustand? Geht es nach Jörg Wollmann von The Skills Group, eben ins gerade entstehende, europaweite Team-Farner-Network aufgenommen und Nummer 5 im Ranking (bei 3,9 Mio. Nettohonorarumsatz), führt daran wohl kein Weg vorbei. Für ihn steht „das gesamte wirtschaftliche und politische System Europas aktuell vor großen Herausforderungen und inmitten von Veränderungen, die es in dieser Form seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gab“. Das bringe entsprechend „neue und zusätzliche Kommunikationsanforderungen mit sich“. Wollmann über die tägliche Agenturpraxis: „Die Nachfrage nach Beratung und Umsetzung im Bereich Change-Kommunikation steigt im Augenblick enorm.“ Die Art, wie Unternehmen und Institutionen in der aktuellen Situation handeln und kommunizieren, entscheide schließlich maßgeblich darüber, ob und wie erfolgreich und glaubwürdig sie in der Zukunft seien.
Der Spaltung entgegenwirken
Die „Kehrseite“ der Medaille spricht Susanne Hudelist von ikp an (Nummer 6 im Ranking mit 3,8 Mio. Umsatz). Die Kommunikation spiele in Krisenzeiten naturgemäß eine wesentliche Rolle – aber „oft auch eine negative“, so Hudelist. „Feindbilder werden aufgebaut, Krisen missbraucht, um Menschen gegeneinander aufzuhetzen und um von realen Problemen abzulenken. Anstatt beispielsweise den Ansprüchen der Generation Z im Arbeitsmarkt zu begegnen und neue Modelle zu schaffen, werden diese als arbeitsfaul beschimpft – als ob es keine Alternativen zur althergebrachten 40-Stunden-Woche gäbe und es um Generationenkonflikte ginge.“ Weiteres Beispiel: „Die Klimakrise wird zum Kampf links gegen rechts verfremdet, als ob es hier um das Durchsetzen politischer Seiten anstatt um das Weiterbestehen des Menschen auf der Erde ginge. In den sozialen Medien heizen Fake News und alternative Fakten das Klima an.“ Ihr Schluss: Kommunikation gebe es viel, nur werde diese allzu oft so eingesetzt, dass Vertrauen gemindert anstatt gefördert wird. Es brauche deshalb „mehr denn je besonnene PR-Profis, die sich nicht in diese Schwarz-Weiß- und Alt-gegen-Jung-Schablonen begeben, sondern realen Lösungen eine verständliche, integrative Sprache geben“. Ihr Motto: „Die Herausforderungen der Zukunft stemmen wir nur gemeinsam und ohne Spaltung.“ Einen Nebenaspekt bringen hier Christina Brandenstein und Marco Jäger von Brandenstein Communications ein (16. im Ranking bei 639.000 Euro Umsatz): PR könne quasi zum Gegenpol von Doomscrolling werden und „positive und authentische Geschichten“ zeigen – „mit Mut, frischen Ansätzen und Out-of-the-Box-Denken“, sind die beiden überzeugt.
‚Ganzheitliche Kommunikation‘
Den Fokus auf Stabilität und Sicherheit vor allem aus Sicht der Unternehmen legt Silvia Grünberger, seit kurzem Mehrheitseigentümerin bei Rosam.Grünberger.Jarosch & Partner (Nummer 3 mit 4,5 Mio. Nettohonorarumsatz). Sie sagt: „In Zeiten, in denen sich gleich mehrere Krisen überlagern, steht die heimische Wirtschaft vor großen Herausforderungen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sich Unternehmen schnell an die neuen Bedingungen anpassen, ihre Geschäftsmodelle adaptieren und die Transformationsprozesse vorantreiben, um sich wettbewerbsfähig zu positionieren.“ Die professionelle kommunikative Begleitung dieser Prozesse sei für Unternehmen unerlässlich, um Vertrauen und Loyalität der relevanten Stakeholder beizubehalten oder im besten Fall sogar zu verstärken. Die „ganzheitliche Kommunikation“ helfe nun dabei, „das richtige Bild zu zeichnen und Werte, Kernkompetenzen sowie Alleinstellungsmerkmale gezielt zu transportieren“. Gelungene PR sei deshalb ein entscheidender Faktor in der wirtschaftlichen Bewältigung der verschiedenen Krisen.
Intern kommunizieren
Stolpersteine auf dem Weg zu solch gelungener PR machen die Experten von Ecker & Partner aus (Nummer 4 bei 3,98 Mio. Umsatz). Nicole Bäck-Knapp spricht von Fehlern etwa in der Nachhaltigkeitskommunikation, die leicht zu Greenwashing werden könne – und auch Diversitythemen seien hochsensibel. Parallel würden sich Geschäftsmodelle verändern. Die Kommunikation sei insofern aufgerufen, diesen Change intensiv zu begleiten. Ein weiterer Aspekt für Bäck-Knapp: „Das bedeutet einen viel höheren Stellenwert auch der internen Kommunikation – vor allem vor dem Hintergrund des War of Talent.“
Eine Frage der Haltung
Die gesellschaftliche Dimension von PR-Arbeit sprechen Christian Krpoun und Stefan Deller von currycom communications an (Nummer 11; 2,2 Mio. Umsatz). Sie sagen: „Kommunikation ist und bleibt eine Frage der Haltung. Wie wir durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, Energie- und Rohstoffkrisen sowie die andauernde Wirtschaftskrise bereits erfahren haben, liegt es nicht zuletzt in der Verantwortung von uns Kommunikator:innen, die großen gesellschaftlichen Themen zu adressieren. Dazu braucht es fundierte Strukturen und Ressourcen: Reputationsmanagement, Nachhaltigkeits-kommunikation, Krisenkommunikation, aber auch begleitende Organisations- und Führungskräfteentwicklung sind die Voraussetzung dafür, um mit Themen in der Kommunikationsarbeit auch nachhaltigen Impact zu hinterlassen und aus dieser Krise bestmöglich gestärkt hervorzugehen.“